15. Deutscher Insolvenzrechtstag 2018 in Berlin (14. – 16. März 2018)

Der jährlich im Frühjahr in Berlin stattfindende Deutsche Insolvenzrechtstag des DAV ARGE Insolvenzrecht und Sanierung befasste sich mit einer Vielzahl aktueller Themen. Über 1000 Teilnehmer nahmen an diesem Kongress im Maritim Hotel Berlin teil.

Prof. Dr. Godehard Kayser, Vorsitzender Richter am IX. Zivilsenat des BGH, referierte die neueste Rspr. seines Senats aus dem Jahr 2017/2018. Einen Schlenker machte der Referent gleich zu Beginn seines Vortrags zum NIKI-Komplex, mit dem sich der Senat allerdings nicht zu befassen brauchte. Nach seiner Auffassung war die Entscheidung des österreichischen Gerichts falsch; das Gericht habe zu Unrecht den COMI gem. Art 6 EuInsVO in Österreich verortet. Nach der Eröffnung des NIKI-Verfahrens in Berlin (im Zuge der Insolvenz von Air Berlin) gab es eine Sperrwirkung für andere Gerichte, das Verfahren anderswo zu eröffnen. Aufgrund der Kürze der Zeit hatte sich der BGH nach der Änderung des Anfechtungsrechts in 2017 noch nicht mit den geänderten Vorschriften der Vorsätzlichen Gläubigerbenachteiligung (§ 133 InsO) und des Bargeschäfts (§ 142 InsO) zu befassen. Der Referent stellte provokant die Frage, ob kongruente Deckungshandlungen „unlauter“ iSd. § 133 InsO sein können. In der Bauinsolvenz könne die Kündigung des Bestellers nicht gem. § 649 BGB ausgeschlossen werden (§ 119 InsO).

Ein Highlight des Insolvenzrechtstags war der Vortrag des „Altmeisters“ Prof. Dr. Karsten Schmidt von der Bucerius Law School zu den Konsistenzproblemen im gesellschafts- und insolvenzrechtlichen Pflichtenkreis.

In parallelen Workshops wurden behandelt 

– die Eigenverwaltung in der Praxis – mit Qualität zum Erfolg (Impulsreferat RA Oberle): Das Dual Track Verfahren, also die Frage, ob neben der Eigensanierung via Insolvenzplan parallel hierzu zwingend noch ein M&A-Verfahren mit dem Ziel eines Asset Deals stattfinden muss, wird als nicht zwingend erforderlich angesehen. Warum sollte der Geschäftsleiter eines Unternehmens den Antrag auf (vorläufige) Eigenverwaltung stellen, wenn parallel ein Verkaufsprozess stattfinden soll, an dessen Ende der Verlust seines Unternehmens stehen könnte. Der Schlüssel liege beim Gläubigerausschuss; dieser müsse die Möglichkeit eines M&A-Verfahrens prüfen und nach Abwägung aller Dinge entscheiden. Ein Automatismus gebe es weder in die eine noch andere Richtung.

– der Insolvenzplan in den Verfahren natürlicher Personen (Impulsreferat Prof. Dr. Pape): In dem Workshop wurde ein Muster-Insolvenzplan für Verbraucherinsolvenzverfahren entwickelt.

– Bestmögliche Gläubigersanierung statt bestmöglicher Gläubigerbefriedigung (Impulsreferate Prof. Dr. Paulus und Prof. Dr. Kodek)

– der unabhängige Insolvenzverwalter – ein Auslaufmodell? (Impulsreferat RA Siemon)

– 10 Jahre MoMiG 2018 – wo steht die Gesellschafterfinanzierung heute? (Impulsreferat Prof. Dr. Thole)

In seinem Eröffnungsvortrag am zweiten Kongresstag referierte Dr. Christoph Wäger, Richter des V. Senats am BFH, die BFH-Rechtsprechung zur Umsatzsteuer in Insolvenz und Krise.

Prof. Dr. Georg Bitter von der Universität Mannheim brachte das Auditorium in Sachen Geschäftsführerhaftung aus § 64 GmbHG auf den neuesten Stand und prangerte mit Verve die Konzeptionslosigkeit der aktuellen Rspr. des BGH an. Entgegen der Rspr. des BGH seit 2008 gebe es keine Sorgfaltsausnahmen für Steuern und Sozialversicherung nach § 64 S. 2 GmbHG (vgl. auch Blank, Vorenthalten von Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung bei Insolvenzreife der GmbH - Zum Verhältnis von Zahlungsverbot (§ 64 S. 1 GmbHG) und Zahlungsgebot (§ 266a Abs. 1 StGB), ZInsO 2013, 46).

 

RA Prof. Dr. Lucas F. Flöther, u.a. Insolvenzverwalter von Air Berlin, befasste sich mit dem Thema „Besondere Herausforderungen bei Großverfahren“ und damit auch dem Komplex des neuen deutschen und internationalen Konzerninsolvenzrechts. Der Grundsatz im Konzern (Mutter-, Tochter-, Schwester- und Enkelgesellschaften) laute: Ein Rechtsträger, ein Vermögen, ein Verfahren. Der Gesetzgeber habe sich ausdrücklich gegen eine Konsolidierung der Vermögensmassen entschieden. Es müsse jedoch hinterfragt werden, ob das richtig sei, denn oftmals hänge es vom Zufall ab, wo die Vermögensmassen „landen“.

Die Berichterstattung aus den Workshops stand am Freitagnachmittag auf dem Programm.

Die Mammuttagung wurde traditionell mit aktuellen Rechtsprechungsübersichten zum Arbeits-, Steuer-, Vergütungs- und Insolvenzrecht der natürlichen Personen beendet. Referenten waren hier Prof. Dr. Hess, RA Dr. Olbing, RA Dr. Blersch und RiAG Schmerbach.

Das komplette Programm kann auf der Website des DAV ARGE eingesehen werden.