BLANK + Partner Rechtsanwälte haben ein wichtiges Urteil zu §§ 81, 82 InsO erstritten.

Saarländisches Oberlandesgericht, Urt. v. 10.04.2024 - 5 U 73/23, ZInsO 2024, 1048

(Vorhergehend) Landgericht Saarbrücken, Urt. v. 23.06.2023 – 14 O 424/22

§§ 81, 82 InsO, § 2 Abs. 2 Satz 4 bis 6 BetrAVG, § 215 Abs. 1 VVG

Leitsätze des Einsenders:

1.

Der Insolvenzverwalter kann einen Versicherungsvertrag (hier: Direktversicherung) mit unwiderruflichem Bezugsrecht kündigen (§ 80 InsO), sofern dieser Teil der Insolvenzmasse ist. Als Folge der Kündigung hat der Versicherer gem. § 169 Abs. 1 VVG den Rückkaufswert zu erstatten, aber nur in Höhe des Teilbetrages, der nicht arbeitgeberfinanziert ist und damit nicht den besonderen Verfügungsbeschränkungen des § 2 Abs. 2 Satz 4 bis 6 BetrAVG unterliegt. Insoweit kann der Versicherer den Anspruch auf Auszahlung des Rückkaufswertes nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch nicht mehr gem. § 362 BGB durch Leistung an den Schuldner erfüllen, weil dieser aufgrund der Entziehung seiner Verfügungsmacht nicht mehr empfangszuständig ist.

2.

Der Versicherer wird von der nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgten Auszahlung auf das Konto der Ehefrau des Schuldners – trotz Unkenntnis von der Verfahrenseröffnung – nicht gem. § 82 Satz 1 InsO von seiner (erneuten) Leistungspflicht befreit. Der Schutz des § 82 InsO beschränkt sich auf den guten Glauben des Leistenden in den Fortbestand der zum Zeitpunkt des Entstehens der Verbindlichkeit noch gegebenen, durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder den Erlass eines vorläufigen Verfügungsverbots nachträglich entfallenden Empfangszuständigkeit des Schuldners. Die Vorschrift greift indes nicht zu Gunsten des Leistenden ein, wenn schon die Rechtshandlung, die die Empfangszuständigkeit begründet hat, unwirksam war. Denn Verfügungen des Schuldners nach Verfahrenseröffnung sind – abgesehen von Fällen eines grundbuchmäßigen Gutglaubensschutzes – gem. § 81 Abs. 1 Satz 1 InsO schlechthin unwirksam. Beruht das Einziehungsrecht eines Dritten – gleich ob im Wege einer Forderungsabtretung (§§ 398 ff. BGB) oder einer Einziehungsermächtigung (§§ 362 Abs. 2, 185 Abs. 1 BGB) – auf einer solchen Verfügung, ist die Regelung des § 81 Abs. 1 Satz 1 InsO mit der dort enthaltenen Nichtigkeitsfolge gegenüber § 82 InsO vorrangig.

3.

Bei der weisungsgemäßen Auszahlung des Rückkaufswertes auf das vom Schuldner mitgeteilte Bankkonto (der Ehefrau), handelt es sich nicht um eine Leistung des Versicherers an den Schuldner gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB, sondern an dessen Ehefrau, sodass ein Bereicherungsausgleich allenfalls zwischen diesen beiden Personen erfolgen kann und es insoweit an einer aufrechenbaren Forderung des Versicherers gegen den Schuldner fehlt.

Saarländisches Oberlandesgericht, Urt. v. 10.04.2024 - 5 U 73/23

4.

Für Klagen aus dem Versicherungsvertrag ist das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Versicherungsnehmer zur Zeit der Klageerhebung seinen Wohnsitz hat (§ 215 Abs. 1 Satz 1 VVG).Auch der Insolvenzverwalter kann sich auf § 215 VVG berufen, weil er kraft Amtes die Rechte des (insolventen) Versicherungsnehmers geltend macht (entgegen OLG Hamm, ZInsO 2014, 299).

Landgericht Saarbrücken, Urt. v. 23.06.2023 – 14 O 424/22